Internationaler Freimaurerorden für alle Menschen Österreich

LE DROIT HUMAIN

DAS MENSCHENRECHT

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Le Droit Humain
Mehr als eine Obödienz? Maria Deraismes 1828-1894

Isabelle Kiefhaber und Dominique Dörflinger-Luquet

Maria Deraismes

Die Gründung des Droit Humain

Die Gründungssitzung des Droit Humain, der ersten gemischten Großloge der Welt, fand nach mehreren seit 1891 vorangegangenen Treffen am 14.März 1893 statt. Maria Deraismes, die 1882 nach dem Alten Angenommenen Schottischen Ritus (AASR) in der Loge der Grande Loge Symbolique Écossaise „Les Libres Penseurs“ im Orient von Pecq aufgenommen worden war, initiierte und erhob in kürzester Zeit 16 Frauen, die alle überzeugte Feministinnen und Republikanerinnen waren. Georges Martin war bereits im AASR aufgenommen worden und affilierte zum Droit Humain.
Diese neue Loge wurde als „Große Schottische Symbolloge des DH“ (GLSE-DH) bezeichnet. Maria Deraismes, die erste Präsidentin, erklärte Geschwister ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht oder Religion aufnehmen zu wollen.
Die Gründung der Loge schließlich, am 1.April 1893, kann als militanter Akt mit Hauptaugenmerk auf die materielle und moralische Verbesserung der Gesellschaft verstanden werden.
Am 11.Mai 1899 gründete Georges Martin den ersten universellen gemischten Obersten Rat des AASR, den „Le Suprême Conseil Universel Mixte International“. Heute gibt es in Frankreich mindestens 4 anerkannte Oberste Räte des AASR, darunter seit 1972 den rein weiblichen Obersten Rat der „Grande Loge Féminine de France“.
In den Folgejahren folgte die Gründung mehrerer gemischter Logen, sodass am 11.Mai 1901 die Gründung der Obödienz „L´Ordre Maçonnique Mixte Le Droit Humain“ verkündet werden konnte.
Mit der Existenz des Droit Humain sind Freimaurerinnen und gemischte Logen in der Freimaurerwelt nicht mehr wegzudenken. Die ersten Mitglieder waren in feministischen und liberalen Kreisen aktiv und prägten mit ihrem Engagement in den sozialen und bürgerlichen Kämpfen der damaligen Zeit, den grundlegenden Charakter der neuen Obödienz.

Der politische Kampf für die Republik

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der triumphierenden Bourgeoisie, deren Aufstieg mit der Entwicklung der „Industriellen Revolution“ einherging.
Maria Deraismes war eine leidenschaftliche Verfechterin der Republik. Sie erlebte den Aufstieg des republikanischen Regimes während der Revolution von 1848 und den Krieg, den Napoleon III 1870 gegen Preußen angezündet hatte.
Die Niederlage und die Proklamation des Deutschen Reiches in Versailles, am 18. Januar 1871, ließen Frankreich in eine schwere Krise stürzen. PariserInnen errichteten Barrikaden und erklärten, dass die Pariser Commune, die vom 18. März bis zum 28. Mai 1871 dauerte, ein politisches System der Gleichberechtigung schaffen und Ungerechtigkeiten beseitigen wollte. Sie waren nicht bereit Waffenstillstand und Entwaffnung zu akzeptieren und kämpften um ihre Kanonen.
Bismarck befreite die Kriegsgefangenen und erlaubte deren Eingliederung in die französische Armee. Der damalige Regierungschef Thiers setzte jedoch diese Soldaten gegen ihre eigenen Landsleute, die „Communards“ ein.
Die Repressionen waren furchtbar, 35 000 Aufständische wurden auf dem Friedhof „Le Père Lachaise“ erschossen. Viele Aktivisten der Republikanischen Partei, auch FreundInnen von Maria Deraismes, wurden deportiert, wie Louise Michel und Victor Hugo, mit dem Maria Deraismes eine jahrelange Korrespondenz verband.
Bei der ersten Wahl nach der Kommune 1875 konnte sich die Republik nur mit einer Stimme Vorsprung im Parlament gegen die gestärkten Monarchisten durchsetzen. Diese fragile Führung musste unterstützt werden.
Maria Deraismes, die selbst Zeugin gewalttätiger Szenen in den Aufständen von 1848, 1852 und 1871 geworden war, beschloss zur Unterstützung ihr Haus in Pontoise für sogenannte „Republikanische Tees“, in der Tradition der republikanischen Bankette von 1848, zu öffnen.
Maria Deraismes war für einen reformistischen Weg und wollte sich für die Konsolidierung der im Entstehen begriffenen Republik einsetzen. Sie schrieb in mehreren Zeitungen, hielt Konferenzen ab und gründete Vereinigungen. Sie war eine feministische Republikanerin, die bereits im Juli 1870 die Anerkennung der bürgerlichen und politischen Rechte der Frauen einforderte. Ihrer Meinung nach war es jedoch noch zu früh das Wahlrecht für Frauen einzufordern, da die Frauen dazu neigten, sich der Kirche zu unterwerfen, wie sie meinte.

Der antiklerikale Kampf, der Weg zur Laizität

Maria Deraismes war eine bekannte Freidenkerin und wandte sich gegen den Obskurantismus und die Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche. Die im christlichen Glauben verankerte Vorstellung der Vormachtstellung des Mannes gegenüber der Frau konnte sie nicht akzeptieren.
Dazu Maria Deraismes:
„Der Bruch der Frau mit dem Dogma ist ein Akt der Erlösung, ein Werk der Befreiung, eine Unabhängigkeitserklärung... Wer hat uns entwürdigt, erniedrigt, wenn nicht der religiöse Glaube?“
und weiter Georges Martin:
„Die Religionen spalten die Menschen, die Freimaurerei will sie vereinen.“
Sie unterstützten den Kampf gegen die Klerikalen, der 1906 zum Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat in Frankreich führte.

Dieses Gesetz wurde die Grundlage des französischen Säkularismus, mit der Überzeugung, dass Religion zum privaten Raum gehöre und der öffentliche Raum religionsneutral sein müsse. Jedem sei freigestellt zu glauben oder nicht zu glauben. Dies bedeutete einen weiteren Schritt für mehr Freiheit und Gleichheit und die Kirche wurde der Kontrolle des Staates durch das Konkordat enthoben. Es stärkte die Gedankenfreiheit und die freie Meinungsäußerung.

Der feministische Kampf

Maria Deraismes kämpfte gegen das Patriarchat, das in seiner ganzen Macht durch das Zivilgesetzbuch „le code civil“ von Napoléon Bonaparte wiederhergestellt worden war. Sie orientierte sich an der juristischen Anerkennung der Frauenrechte. So kämpfte sie mit ihrer Freundin Hubertine Auclerc gegen die, von der Französischen Akademie, kodifizierte Vermännlichung der französischen Sprache.
Zitat Hubertine Auclerc:
„wenn wir das Wörterbuch überarbeitet haben und die Sprache feminisiert haben, wird jedes der feminisierten Wörter für den männlichen Egoismus ein ausdrucksstarker Ordnungsruf sein“
„Quand on aura révisé le dictionnaire et féminisé la langue, chacun de ses mots sera, pour l’égoïsme mâle, un expressif rappel à l’ordre“

Die Académie française legte die Regeln für die „Schöne Sprache“ fest und nahm ab 1635 alle weiblichen Bezeichnungen der Berufe aus der französischen Sprache und änderte die grammatikalischen Regeln, indem sie die Vorherrschaft des Mannes gegenüber den Frauen begründete und die Unsichtbarkeit der Frau in der Sprache festschrieb. Das war ein wirksames Instrument, um eine symbolische patriarchalische Herrschaftsordnung zu errichten.
Maria Deraismes kämpfte für das Recht auf Bildung und setzte sich für die Jules Ferry Gesetze für die obligatorische, kostenlose, laizistische Schule ein, die zwischen 1881 und 1889 abgestimmt wurden. In diesem Kampf wurden die VolksschullehrerInnen als die Husaren der Republik bezeichnet.
Maria Derasismes setzte sich auch für das Scheidungsrecht ein, das als „Loi Naquet“ 1884 abgestimmt wurde.

Der soziale Kampf

Das soziale Engagement für die Ärmsten wird zum zentralen Kampf. Die Entwicklung des industriellen Kapitalismus ging mit der Entwurzelung der von der Abwanderung in die Städte betroffenen Landbevölkerung einher. Das Fehlen echter Arbeits- und Sozialrechte führte zu starkem Elend und Ausbeutung, was von Schriftstellern wie Emile Zola sehr realistisch veranschaulicht wurde. (L‘assomoir, Germinal, l’affaire Dreyfus mit J’accuse, die Zeitung Aurore 1896)
Der Kampf gegen die Kinderarbeit in den Fabriken war Maria Deraismes ein großes Anliegen.
Während Bismarck in Deutschland bereits 1884 das Arbeitsrecht etabliert, wurden in Frankreich die Arbeiterstreiks von der Armee trotz Gewerkschaft, die in Frankreich 1884 zugelassen worden war, blutig niedergeschlagen.

Im Leben durch die Tat

Maria Deraismes veröffentlichte ihre Ideen in Zeitungen wie „Le Nain Jaune“ („Der gelbe Zwerg“), gründete 1870 eine Vereinigung zur Verteidigung der Rechte der Frauen, unterstützte Menschen wie Louise Michel, eine aktive Anarchistin, die sich für eine gleichwertige Bildung für Mädchen einsetzte und beteiligte sich 1881 an der Organisation eines Kongresses gegen klerikale Kräfte.
Sie war eine hervorragende Vortragende und wurde zudem oft zu Kundgebungen als Rednerin eingeladen.
In den ersten Publikationen des Droit Humain läßt sich das soziale Engagement dieser Pioniere und VorreiterInnen ablesen.
In den Logen wurden konkrete Berichte über, ihrer Meinung nach, notwendige Gesetzesreformen erarbeitet. Beispiele für Arbeitstitel ihres gesellschaftspolitischen Interesses sind: „Die Frau in der Gegenwart und Zukunft, Die Erziehung des Kindes in der Familie, Religionen und Moral“
Obwohl Maria Deraismes ab 1880 die feministische Radikalität ihrer Mitstreiterin Hubertine Auclerct nicht mehr teilte, achtete sie darauf, dass die Schwestern im Sinne einer gegenderten Sprache in der Loge als „Maitresse“ für Meisterin bzw. Marie Georges Martin als „La Grande Maitresse“ für Großmeisterin angesprochen wurden, wie es aus den ersten Bulletins hervorgeht.
Auf dem Grab von Maria Deraismes auf dem Friedhof von Montmartre steht:
„Sie hat unermüdlich für den Triumph der republikanischen und liberalen Demokratie gekämpft und ihr ganzes Leben der Verteidigung der Rechte der unterdrückten Frauen und Kindern gewidmet.“
Als engagierte Freimaurerin hat Maria Deraismes die Devise „Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit“ gelebt und in ihrer von ihr gegründeten gemischten Freimaurerei „Le Droit Humain – Das Recht des Menschen“ verwirklicht.

Der Internationale Freimaurerorden für Männer und Frauen LE DROIT HUMAIN bekräftigt die Gleichheit von Männern und Frauen.
Mit der Ausrufung des DROIT HUMAIN will der Orden, dass Männern und Frauen weltweit in gleichem Maße soziale Gerechtigkeit zuteil wird, im Kreise einer Menschheit, die in freien und geschwisterlichen Gesellschaften organisiert ist.
Freimaurerinnen und Freimaurer bekennen sich zu den Menschenrechten, verteidigen diese und setzen sich für soziale Gerechtigkeit ein.
Freimaurerinnen und Freimaurer setzen sich nach ihren Möglichkeiten für das Wohl der Mitmenschen ein und helfen durch ihr Vorbild mit, die Welt lebenswerter zu machen. Durch die stetige Reflexion ihrer Handlungen streben sie ein verantwortungsvolles Verhalten an.

Quellen:
La longue marche des Franc-maçonnes, Cécile Révauger 2018
Les épreuves de la vie, Pierre Rosanvallon, 2021
Le cerveau pense-t-il au masculin?, Pascal Gygax, Sandrine Zufferey, Ute Gabriel, 2021
Louise Michel, die Anarchistin und die Menschenfresser, Eva Geber, 2018
https://www.cairn.info/revue-la-chaine-d-union-2011-3-page-44.htm
https://information.tv5monde.com/terriennes/femmes-et-franc-maconnerie-des-loges-feminines-ou-feministes-145843
https://www.droit-humain.at/